Zero Waste Blog: „Durch die Kiste habe ich meinen Frieden mit Würmern gemacht“

Pia Weissenfeld Mit Wurmkiste

Pia Weißenfeld, Umwelt- und Tierrechtsaktivistin sowie Grafikdesignerin, über die Reduzierung von Bioabfall durch Wurmkisten, geerntete Erde und pflegeleichte Haustiere

BUND: Wie viele Würmer hast du in deiner Kiste?

Pia Weißenfeld: Es müssen mehrere hundert sein. Als ich die Stammpopulation gekauft habe, habe ich 500 Würmer bekommen. Sie vermehren sich aber.

Wie funktioniert die Wurmkiste?

Das Prinzip ist so (Pia öffnet den Deckel der Holzkiste. Zum Vorschein kommt eine grüne Gemüsekiste aus Plastik, die mit allerlei Küchenabfällen etwa bis zur Hälfte gefüllt ist): Oben schmeißt man das Grünzeug rein und die Würmer zersetzen die organischen Abfälle zu Humus. Gelegentlich wühle ich den Inhalt der Plastikkiste um. Die Würmer gehen auf Nahrungssuche immer nach oben. Hier siehst du, die Würmer sind direkt unter der Gemüseschicht (Pia greift eine Handvoll Gemüsereste und zeigt auf einige Würmer in ihrer Hand). Früher hatte ich übrigens eine Wurmphobie, ich bin im Dreieck gesprungen, wenn ich einen Wurm gesehen habe. Jetzt bin ich selbst manchmal überrascht, mit welcher Leichtigkeit ich die Würmer nun betrachte. Durch die Kiste habe ich meinen Frieden mit Würmern gemacht.

Wo ist denn jetzt der Humus?

Hier (Pia nimmt die grüne Kiste heraus, sodass Boden und Seitenwände der Holzkiste sichtbar sind). Man sieht am Rand, was bereits durch die Löcher der Gemüsekiste rausgefallen ist. Wenn sie voll ist, würde ich das Ganze in die Holzkiste kippen und die Plastikkiste oben drauf stellen. Dann würden die Würmer nach oben in die Plastikkiste wandern, wo die neuen Abfälle liegen. Anschließend kann ich den Humus am Boden der Kiste ernten. Man muss natürlich schauen, dass alle Würme wirklich raus sind. Aber Vorsicht: Die geerntete Erde kann man nicht einfach als Blumenerde nutzen, weil sie noch zu sauer ist. Sie muss erst noch „vererdet“ werden. Aber man kann den Humus anderer Pflanzenerde beimischen, etwa bis zu 50 Prozent. Das ist praktisch, weil man nur noch halb so viel Blumenerde kaufen muss. Dabei spart man dann nicht nur Geld, sondern auch Müll.

Was ist das für eine Schublade unter der Kiste?

Sie dient dazu, den sogenannten Wurmtee aufzufangen. Am Boden der Kiste ist ein ziemlich engmaschiges Netz, durch das die Flüssigkeit abläuft. Diesen Wurmtee kann man als Dünger nutzen.

Riecht der Wurmtee?

Nein, das gilt auch für die ganze Wurmkiste. Wenn sie geschlossen ist, rieche ich gar nichts. Wenn ich sie öffne, kommt ein leichter erdiger Geruch heraus.

Manche Leute haben Vorbehalte gegen Tiere in der Küche. Könnte ich die Wurmkiste auch auf den Balkon stellen, falls vorhanden?

Die Wurmkiste braucht Temperaturen zwischen 5°C und 25°C, man kann sie also nicht immer auf dem Balkon haben. Bei Kälte verkriechen sich die Würmer und bei Hitze fliehen sie. Flucht ist immer ein guter Indikator dafür, dass etwas nicht stimmt.

Sind dir die Würmer schon einmal ausgebüxt?

Ja, das ist mir am Anfang tatsächlich einmal passiert. Ich habe gleich von allem etwas und insgesamt viel zu viel reingepackt. Als ich ein paar Stunden später nachhause kam, wanderten lauter Würmer hier durch das Zimmer. Viele von ihnen waren leider schon vertrocknet, schließlich ist so ein Holzfußboden überhaupt nicht ihre natürliche Umgebung. Dann habe ich alle Gemüsereste aus der Kiste herausgenommen, die überlebenden Würmer in die Kiste zurückgebracht und quasi noch einmal von vorn angefangen.

Wer seinen Biomüll in der Küche lagert, kennt das Problem mit Fruchtfliegen im Sommer. Passiert das auch mit einer Wurmkiste?

Ich musste meine Wurmkiste schon zweimal auf Diät setzen, weil Fruchtfliegen drin waren. Wenn schon Fruchtfliegeneier auf Obst und Gemüse sind, dann bildet die Kiste natürlich eine perfekte Umgebung zum Schlüpfen und Vermehren der Fruchtfliegen. Manche Leute frieren den Biomüll erst einmal ein, bevor sie ihn in die Wurmkiste legen.

Was bedeutet Diät?

Man weicht unbedrucktes Papier oder Karton in Wasser auf und füttert die Würmer nur damit. Später hebt man Gemüsereste unter die Pappe, damit sie nicht an der Oberfläche liegen und keine neuen Angriffspunkte liefern. Nach einiger Zeit sind dann die Eier und Fliegen weg.

Und wenn du ständig eine Deckschicht aus Pappe über dem Gemüse hast?

Dann muss ich darauf achten, dass dennoch eine gewisse Luftdurchlässigkeit gegeben ist. Die Kokosmatten, die die Wurmkistenhersteller mitliefern, sind sehr atmungsaktiv. Bei mir war die Kokosmatte irgendwann komplett durchlöchert und zerfressen. Dann bin ich auf Zeitungspapier umgestiegen. Pappe wäre zu dick und nicht ausreichend durchlässig für Luft und Feuchtigkeit.

Apropos Diät: Wie lange halten es die Würmer ohne Nahrung aus? Brauchst du einen Wurmsitter, wenn du mal verreist?

Zwei Wochen halten sie auf jeden Fall ohne Nachschub aus. Normalerweise tut man entweder jeden Tag ein bisschen hinein oder etwa alle drei Tage ein paar Hand voll.

Was darf grundsätzlich nicht in die Wurmkiste?

Zitrusfrüchte, schon Gekochtes, tierische Produkte und Brot. Brot vertragen die Würmer zwar, aber es fängt schnell an zu schimmeln. Und Kohl und Zwiebeln mögen sie nicht so gern. Ich würde schätzen, mein Biomüllvolumen ist um die Hälfte zurückgegangen. Das ist für mich auch die wesentliche Motivation für die Anschaffung der Wurmkiste: die Müllmenge zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass die BSR weniger Abfälle durch die Gegend fahren muss. Interessant ist nebenbei auch, den Zersetzungsprozess von Biomaterial mitzubekommen. Es gibt tatsächlich auch Wurmkisten mit Glasfenster, bei denen man alles sehen kann.

Was rätst du Leuten, die sich eine Wurmkiste zulegen wollen?

Am Anfang nur solche Dinge füttern, die die Würmer sehr gern mögen, zum Beispiel Salat, Weintrauben und Tomaten. Nicht alles auf einmal eindecken, sondern behutsam erst einmal in einer Ecke Futter ablegen. Weniger ist am Anfang mehr. Außerdem bringt die Wurmkiste nur etwas, wenn man auch regelmäßig kocht und deshalb Küchenabfall anfällt. Es ist ja nicht Sinn der Sache, extra Gemüse zu kaufen, um die Würmer zu füttern.