Zero Waste Blog: Miese Qualität in Massen

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Second-Hand-Läden und gemeinnützige Organisationen leben von Altkleidersammlungen. Deren Aufkommen wächst beständig, gleichzeitig sinkt aber die Qualität der gespendeten Waren. Das könnte langfristig das Ende der Altkleidersammlung bedeuten.

Wenn China einen Importstopp für bestimmte Rohstoffe oder Abfälle verhängt, dann ist die Lage ernst. Als das bevölkerungsreichste Land der Welt Anfang 2018 die Einfuhr von Plastikmüll verbot, wurde dies als deutliches Zeichen für die Verschärfung der Plastikkrise gewertet.[1] Dass von dem Importverbot auch Textilien betroffen sind, ging nebenbei fast unter. Dabei ist es ein deutliches Alarmsignal, dass viel zu viele Alttextilien auf dem Markt sind.

Werfen wir einen Blick auf die Lage in Deutschland. Betrug die Gesamtmenge der bundesweit eingesammelten Altkleidern 1986 noch 800.000 Tonnen,[2] so überschritt sie im Jahr 2013 die Eine-Million-Grenze.[3] Dank Fast-Fashion-Riesen wie Primark und Zara wächst die Menge der aussortierten Kleidungsstücke weiter, im Jahr 2018 waren es drei Prozent mehr als im Vorjahr.[4] Nicht weniger als 60 (in Worten: sechzig!) neue Kleidungsstücke kaufen sich die Bundesbürger*innen durchschnittlich pro Kopf und Jahr, behalten sie aber nur noch halb so lange wie zu Beginn des Jahrhunderts.[5]

Nicht einmal gut genug für Putzlappen

Mehr Altkleider sorgen aber nicht für mehr Freude bei denen, die beruflich damit zu tun haben, ganz im Gegenteil. Ob kommerziell oder gemeinnützig – alle ächzen unter der schieren Menge und mehr noch unter der schlechten Qualität.[6] „Aus so einem Dreck kann man nicht mal Putzlappen machen“, sagt Holger Hackbarth, der „Altkleiderkönig von Lengede“ (so die taz in einem lesenswerten Porträt), über Billigklamotten von Primark und Aldi.[7] Vor dem gleichen Problem steht mit dem Deutschen Roten Kreuz auch einer der größten karitativen Altkleidersammler, wie der arte-Dokumentarfilm „Plastik statt Mode – ersticken wir in Billig-Altkleidern?“ eindrücklich zeigt: Immer mehr Altkleider bestehen vor allem aus minderwertigen synthetischen Fasern. [8]

Da nur ein Bruchteil der eingesammelten Textilien in den Kleiderkammern gebraucht wird (warum nicht alle Kleiderspenden für die Zielgruppe Obdachlose geeignet ist, erklärt Ana Lichtwer vom kürzlich eröffneten Berliner Textilhafen im Interview in der taz[9]), setzen die gemeinnützigen Organisationen darauf, das Sammelgut zu Geld zu machen – ob es nun in kommerziellen Second-Hand-Läden oder im Downcycling zu Putzlappen und Dämmmaterial landet.[10] Dieses Geschäftsmodell ist bedroht, wenn einerseits die Erlöse sinken und andererseits immer mehr Textilien kostenpflichtig entsorgt werden müssen.

Folgt dem Dosenpfand das Hosenpfand?

Für die Second-Hand-Branche ist eine Lösung des Problems mit den Wegwerfklamotten nicht in Sicht. Wenn 2025 das Entsorgen von Textilien im Hausmüll EU-weit verboten wird,[11] könnte die Flut von unbrauchbaren Gewändern zum Tsunami werden. Aus schierer Verzweiflung macht Helmut Huber vom Bayerischen Roten Kreuz in dem erwähnten arte-Film einen bemerkenswerten Vorschlag: die Textilgeschäfte zur Rücknahme ihrer Waren zu verpflichten. Das würde erst einmal das Volumen der Altkleidersammlungen verringern, wahrscheinlich sogar mehr, als den Sammler*innen lieb wäre. Mittelfristig würde es aber – so die Hoffnung – die Textilproduktion verteuern, weil die Entsorgung mitfinanziert werden muss, und somit den Konsum bremsen. Hilfreich wäre bestimmt, wenn neue Klamotten nur gegen Pfand abgegeben werden müssten; allerdings sollte das Hosenpfand deutlich höher als das Dosenpfand sein.

Auf freiwilliger Basis sammelt mit H&M einer Hauptverantwortlichen der Malaise bereits Altkleider ein – und macht die Sache damit noch schlimmer. Denn für jede Spende gibt der schwedische Billigheimer perfiderweise Warengutscheine aus.[12] Das hilft beim Greenwashing und kurbelt gleichzeitig den Umsatz von Neuware an.

Konsum drosseln, gebraucht kaufen, lange tragen

Apropos freiwillig: Was wir als Konsument*innen auch ohne gesetzliche Regelungen machen können, sollte eh klar sein. Hier kommt nur der Vollständigkeit halber der Klamottennachhaltigkeitskatalog:

-          Kleidung so lange tragen und reparieren wie möglich

-          Second-Hand-Ware kaufen

-          wenn schon Neuware, dann hochwertige und ökologisch produzierte (mit GOTS-Siegel)[13]

Wer das Glück hat, in Berlin zu leben, hat unzählige Alternativen zum Neukleiderkauf. Neben kommerziellen Second-Hand-Läden von internationalem Rang haben wir die Kleiderläden von Caritas und Stadtmission, Flohmärkte, Upcyclingwerkstätten, Nähcafés, Kleidertauschpartys und und und … Alle aufzuzählen, ist unmöglich und nebenbei auch unnötig, denn einen aktuellen Überblick findet ihr jederzeit auf www.remap-berlin-de.

Foto: Tobias Preuß, lizensiert unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en